Mühlenspiegel 40

/ 21 Im Einklang mit der Natur dabei besonders auf Entwicklungen, wo Komponisten, Klangkünstler aus dem Mainstream quasi experimentell ausbrechen. Ab 1987 arbeitete sie freiberuflich als Musikpublizistin und gründete 1988 (mit einem Freund) am Leipziger Peters Verlag die alternative Zeitschrift „positionen.Beiträge zur neuen Musik“ die ab 1991 im dafür gegründeten Verlag Positionen erschien. Bis zu ihrer Rente Ende 2018 arbeitete sie hier als Herausgeberin, Chefredakteurin und Vertriebsfrau. Aber an Ruhestand war bei der quirligen Musikwissenschaftlerin nicht zu denken. Viel lieber wollte sie „all [ihr] Wissen aus [ihrer] Arbeit an einer Musikzeitschrift, besonders die Freundschaften und Bekanntschaften mit zahllosen Komponisten, Musikern und Ensembles ihremWohnort Mühlenbeck zugute kommen lassen“, erzählt uns Gisela Nauck. „Meine Arbeit als Musikwissenschaftlerin bzw. -journalistin hatte ich immer als Vermittlungsarbeit verstanden: den Sinn dessen, was in und mit der zeitgenössischen Musik verhandelt wird, einem Publikum zu vermitteln: durch Texte, Radiosendungen und eben nun durch die Veranstaltung eines Festivals – ein neues, aufregendes, sehr lebendiges Vermittlungsformat.“ Aber wie kam es zu der thematischen Ausrichtung? „Durch die fünf Jahre der Entwicklung der „Klanglandschaften“, Recherche nach möglichen Kompositionen, Lesen des immer größer werdenden Gebiets der Klimakommunikation in seiner ganzen Breite und nicht zuletzt das Nachdenken darüber, wie sinnvoll Musik darauf reagieren kann, wurde die Climate Music zu meinem neuen, nun aktuellen Spezialgebiet. 2018 resp. 2019 - ein Jahr, bevor die Fridays for Future-Bewegung startete - hatten wir, der Mitbegründer der Klanglandschaften, der Musikfilmproduzent Uli Aumüller, und ich das Gefühl, angesichts der immer drohender werdenden Folgen des Klimawandels und der zunehmenden Klimakommunikation, auch als Kulturschaffende in diesem Diskurs Verantwortung übernehmen zu müssen. Wesentlich inspiriert wurden ich auch durch meinen Besuch des Festivals des Dlf Köln „Im Anthropozän. Verantwortlich für die Zukunft“ 2017, mit dem erstmals die Frage nach der Verantwortung der Musik gestellt worden ist.“ Neue intime Form Unter dem Motto: Musik sehen | Natur hören fanden dann 2019 die ersten „Mühlenbecker Klanglandschaften“ statt. Der Start für ein Festival, das mit der Musik unserer Zeit auf zu lösende Aufgaben hinweisen will. Dabei werden unterschiedliche Tageszeiten, Lichtverhältnisse, Musik- und Begegnungsformen genutzt, um auf die Schönheiten der umgebenden Natur, auf ihre Gefährdungen aufmerksam zu machen: Landschaften im (Klima)Wandel. Naturkundliche Führungen, Workshops, Filme, Vorträge u.a.m. erweitern, ergänzen und konkretisieren die Landschaftsmusiken und Musiklandschaften. Jedes Jahr werden neue Formate entwickelt, die den Dialog zwischen Landschaft, Natur und Musik erlebbar machen wollen. Immer mehr Komponist*innen und Klangkünstler*innen entdecken die Natur als wichtiges Bezugssystem für eine innovative Musik und das Hören als kompositionsrelevantes Thema. Begriffe wie Sonifikation, forschende Klangkunst oder Ökoakustik zeigen, dass die Beziehung zur Natur neue Gebiete eröffnet hat. Mit den Klanglandschaftenl versucht die „Projektgruppe Musik im FV Naturpark Barnim“ diese neue Musik erlebbar – hörbar – zu machen. Und eben nicht in fernen Konzertsälen, sondern hier, bei uns mitten in der Natur. Veranstaltungsorte waren schon die Dorfkirche in Mühlenbeck, das Berufsförderungswerk und natürlich der Summter See. 2021 kamen Hobrechtsfelde mit seinen Rieselfeldern und den Weiden und in diesem Jahr nun auch das Briesetal hinzu. Die Projektgruppe und die Künstler*innen versuchen, die Zuhörer*innen für die klimatischen Probleme vor der eigenen Haustür zu sensibilisieren. Und nutzen sie die Musik, um "neue Erzählungen" zu schaffen. Die mit Hilfe der Musik initiierten musikalischen Erlebnisräume wirken vielleicht erst einmal fremd, sie spiegeln aber auf ihre Weise unsere Probleme wieder. Und, so berichtet Frau Nauck, nutzen immer mehr Naturwissenschaftler den Klang, um Klimaveränderungen in der Natur sichtbar zu machen. Hinter den Kulissen Zu Dr. Gisela Naucks Team gehören noch vier Mitstreiter: Paul Hübner: Künstlerische Leitung; Nina Rohlfs: Künstlerische Leitung/ Produktionsleitung; Johanna Madden: Produktionsleitung und bis 2022 Dag Lohde: Geschäftsführung/Produktionsleitung. Aber egal, wie viel Engagement das Team und die Musiker in dieses Festival stecken, am Ende muss alles und jeder irgendwie bezahlt werden. Die Gelder hierfür stammen aus Fördertöpfen und von Unterstützern*. „Ich hätte nicht gedacht, das es so schwer sein würde, das Geld für ein Festival zu beschaffen, das sich mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzt“, erzählt uns Frau Nauck. „Leider reicht das Geld oft nicht für alle Projekte. Das Fördervolumen im Land Brandeburg ist einfach zu gering.“ Keine leichte Aufgabe, das Festival am Leben zu halten, da es sich bei der Musik eben um eine Nische handelt. Denn die Musik, die Sie beim Festival hören werden, ist ungewohnt - weder rhythmisch noch melodisch. Aber wenn man sich darauf einlässt und versteht, was dahinter steckt, dann ist es eine spannende, neue Welt, diese neue Musik: Und sie steht für einen offenen Geist, einen Geist, der bereit ist, sich dem Neuen, Fremden nicht zu verschließen, sondern eine Chance zu geben. Um so dankbarer sind Gisela Nauck und ihr Team allen Unterstützer*innen, die dieses tolle Musikerlebnis auch in diesem Jahr wieder möglich gemacht haben. Dr. Gisela Nauck – DieKuratorinder neuen Töne: Initiatorin, künstlerische LeitungundProjektleitungder Klanglandschaften, promovierteMusikwissenschaftlerin, GründerinundHerausgeberinder Zeitschrift „positionen. Texte zur aktuellenMusik“, Ehefrau, Mutter &Großmutter Entscheidet das Verhältnis zur Natur auch über die Zukunftsfähigkeit von Musik? *Neue Musik-Stiftungen, vom MWFK des Landes Brandenburg und aus der Kulturförderung der Gemeinden und Landkreise

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