Mühlenspiegel 39

Formverfahren war in wochenlanger Vorarbeit in der Firma Rincker durchgeführt worden. Als wir Interessierten aus der Gemeinde den Metallbetrieb in Sinn besuchten, erlebten wir nur noch die letzten Vorbereitungen. Bei unserer Ankunft war es schon heiß in der Halle. Die Bronze wurde in einem großen Kessel auf etwa 1.200 °C verflüssigt, damit sie beim Gussvorgang zügig durch die vorbereiteten Gusskanäle zu den einzelnen Gussformen fließen konnte. In der Luft lag ein feinkörniger Ton- bzw. Lehmstaub, der von der Herstellung der Gussformen herrührte, und der sich auf allem als feine Schicht absetzte. Im Gegensatz zu unserer Gespanntheit, herrschte bei den Arbeitern noch Ruhe und Gelassenheit. Sie trugen lederne Schürzen, festes Schuhwerk mit Gamaschen sowie Helme mit aufgeklappten Visieren. Von der Stirne heiß Rinnen muss der Schweiß ... Noch bevor der Guss begann, hatte es eine Pfarrerin aus Darmstadt übernommen, ein Gebet über alle acht Glocken zu sprechen. Mit den Worten des Meisters „Wir wollen gießen in Gottes Namen“ begann der eigentliche Guss. Das sehr heiße, flüssige Metall wurde vom Kessel über eine offene Gussröhre zum Startpunkt geleitet. Von nun an waren die Arbeiter in höchster Konzentration, denn sie mussten aufmerksam auf gluckernde und pfeifende Geräusche achten, die beim Einfüllen der flüssigen Bronze in den Hohlraum zwischen Kern und Mantel entstanden. In ihren Händen lag das zeitgenaue Öffnen der nächsten Gusskanäle, wenn eine Gussform bereits mit der notwendigen Bronze gefüllt war. Beeindruckend war es, dem Fluss des orange glühenden Metalls zu folgen. Während all dieser Zeit war selbst mit einigen Metern Abstand auch für uns Besucher die Hitze spürbar. Nachdem die letzte Glocke gegossen war, stiegen die Arbeiter stolz und sichtlich erleichtert aus der Grube. Die gegossenen Glocken blieben zum Erkalten des Metalls noch einige Tage in dieser Grube, bevor sie gehoben, Mantel und Kern zerschlagen und mit Sand und Wasser gebürstet wurden, bis sie eine glänzende Oberfläche aufwiesen. Ein Glockensachverständiger prüfte die fertigen Glocken auf ihren Klang, Zustand und ihr Aussehen. Das Lied von der Glocke (Friedrich von Schiller) Fest gemauert inder Erden Steht die Form, aus Lehmgebrannt. Heutemuss dieGlockewerden. FrischGesellen, seid zur Hand. Vonder Stirneheiß Rinnenmuss der Schweiß, Soll dasWerk denMeister loben, Dochder Segen kommt vonoben. .... Jetzomit der Kraft des Stranges Wiegt dieGlockmir aus der Gruft, Dass sie indas Reichdes Klanges Steige, indieHimmelsluft. Ziehet, ziehet, hebt! Siebewegt sich, schwebt, Freudedieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute.

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