Mühlenspiegel 42

Mit schnellen Füßen zur Goldmedaille / 21 (Extraanfertigung) oder modelt für ein Modelabel für kleine Menschen. „Mit meiner Klasse habe ich auch Glück, da bin ich eine normale Mitschülerin.“ Es gibt nicht viele Kleinwüchsige in der Schildower Region. Im Ort selbst kennt die Familie niemanden. Insofern fällt Isabel schon auf. Nicht nur in Schildow, sondern überall. „Ich sehe die Blicke der Menschen. Das nervt mich. Aber ich bin gut darin, mir das nicht anmerken zu lassen.“ Es gibt wenige, aber regelmäßige Treffen von Kleinwüchsigen und gegebenenfalls ihrer Angehörigen: vom Bundes- sowie Landesverband Kleinwüchsige Menschen und ihrer Familien. „Beim Treffen des Bundesverbandes sind etwa 1000 Leute da. Für uns Eltern war das in den ersten Jahren ein sehr informatives Treffen, da auch Ärzte und Dozenten vor Ort sind, mit denen man sich austauschen kann; mit anderen Eltern und Kindern natürlich auch“, sagt Papa René Thömke. Beim Landestreffen (Berlin/Brandenburg/ Mecklenburg-Vorpommern) seien leider immer relativ wenige Kleinwüchsige vor Ort, bedauert er. Wahre Größe Hinter Isabel liegt ein Großereignis: Sie war in diesem Jahr Teilnehmerin der World Dwarf Games, der größten internationalen Sportveranstaltung, die ausschließlich für Sportler mit Kleinwuchs stattfindet. Ziel ist es, Sportler mit Kleinwuchs aus der ganzen Welt für die Teilnahme am Sport zu gewinnen – egal welchen Alters und Leistungsniveaus. Es geht um den Wettkampf von Menschen mit ähnlicher Statur. Es kamen mehr als 500 Athleten aus mehr als 20 Ländern. Isabel betrieb sieben Jahre Zumba, geht reiten und macht im Sportunterricht so gut wie alles mit. „Ich glaube, ich bin ganz gut im Sport, habe im Unterricht eine Eins.“ Gute Voraussetzungen für die Wettkämpfe an der Deutschen Sporthochschule in Köln, bei denen sie für den 60-Meter-Sprint angemeldet war. Wegen des Familien-Urlaubs in dieser Zeit stießen Tochter und Vater planmäßig erst in der Mitte der einwöchigen Games in Köln dazu. Dort erfuhren sie, dass die „Klassifizierung“ der Athleten ihres Wettkampfes bereits einen Tag vorher stattgefunden hatte. Beide verfielen in eine Schockstarre, da Isabel der Start verwehrt wurde. Zunächst. Der Veranstalter drückte ein Auge zu, vielleicht auch deshalb, weil er in der Bredouille steckte. Denn einer der beiden englischen 4x60-Meter-Staffeln fehlte ein/e Läufer/in. Diesen Platz nahm Isabel obendrein ein. Also waren e sogar zwei Starts. Welch ein Segen! Auf der Überholspur Über 60 Meter gingen in ihrer Klasse 14 Mädchen an den Start. Es gab zwei Läufe mit sieben Starterinnen. Isabel belegte in ihrem Lauf Platz 3 („Der ist für mich entscheidend!“), in der Gesamtwertung blieb ihr Platz 4. Der Staffelwettbewerb (Mixed) mit dem englischen Trio wird der Schildowerin wohl immer in Erinnerung bleiben. Die Startläuferin übergab als Letzte an Isabel. Sie wiederum verkleinerte den Rückstand. Und danach sollten ihre Teamkollegen das Unmögliche schaffen: Sie überholten alle und gewannen die Goldmedaille. „Es ist der größte Wettkampf für Kleinwüchsige, deshalb kann man Weltmeister sagen“, so René Thömke. Auf Augenhöhe Für Isabel, die ihre Goldmedaille über dem Bett zu hängen hat, besitzen diese „Spiele“ noch eine ganz andere Bedeutung. „Es war schön, mit so vielen Menschen auf Augenhöhe gewesen zu sein“, sagt sie. „Ich musste nicht wie sonst immer hoch gucken.“ In den wenigen Tagen in Köln, die Tochter und Papa auch zum Besuch von anderen Wettbewerben genutzt haben beziehungsweise als Volunteer eingesetzt waren, bildeten sich komplikationslos Verbindungen. Isabel war oft mit ihren neuen Freunden unterwegs. „Es vergeht noch heute kaum ein Tag, an dem nicht telefoniert oder per Facetime miteinander gesprochen wird – nach England, Australien, Kanada oder in die USA“, so René Thömke. Für Isabel steht fest: „Bei den nächsten World Dwarf Games in vier Jahren in Australien möchte ich wieder dabei sein.“ l Text: Stefan Blumberg Foto: privat, Fotogruppe SichtWeisen https://youtu.be/FgupOPnMZtI https://wdg2023.com KLEINWUCHS: Es gibt etwa 650 Kleinwuchsformen. In Deutschland sind zirka 100.000 Menschen vom Kleinwuchs betroffen. Die Körperlänge bei kleinwüchsigen Menschen beginnt bei ca. 80 Zentimetern und endet laut Schwerbehindertenrecht in Deutschland bei 140 Zentimetern. • Die weitaus meisten kleinwüchsigen Kinder werden in eine Familie hineingeboren, in der es vorher keinen Kleinwuchs gab. • Die Achondroplasie ist die häufigste Skelettdysplasie. Quelle: BKMF Isabels neue Freunde, die sie bei den World Dwarf Games in Kön in diesem Jahr kennen gelernt hat. Mit ihnen ist sie auf Augenhöhe. Bis heute vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht miteinander Kontakt haben

RkJQdWJsaXNoZXIy NzY5NzY=